
Was heißt gewichtsneutral?
Entgegen den gesellschaftlichen Glaubenssätzen wird Körpergewicht und Gesundheit durch weit mehr beeinflusst, als Ernährung, Bewegung und Willenskraft. Neben einigen Faktoren, die wir direkt beeinflussen können, gibt es auch zahlreiche, die nicht individuell steuerbar sind (z.B. sozioökonomischer Status, Diskriminierung oder Genetik).
80-95 % aller Abnehmversuche scheiten.*
Bis zu 2/3 wiegen nachher mehr als davor.**
*PMID 26180980; 9156185; 10449014
**PMID 17469900
Dieses Weight Cycling ist nicht nur frustrierend, sondern auch gesundheitsschädigend. Der Körper durchläuft dabei ständig Phasen von Kaloriendefizit und -überschuss, was Stoffwechsel und Organe belasten kann. Studien verknüpfen starkes Gewichtsschwanken mit zahlreichen negativen Folgen, etwa erhöhtem Risiko für Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen, Insulinresistenz oder Entzündungswerte. Besonders besorgniserregend: Mehrfaches Zu- und Abnehmen wurde in Forschung auch mit erhöhter Sterblichkeit in Verbindung gebracht. Mit anderen Worten: Ständige Gewichtsschwankungen könnten ungesünder sein, als das Halten von fast jedem Körpergewicht.
gewichtszentriert
Ziel: Gesundheitsförderung
Erfolgsmarker:
Gewichtsreduktion
Body Mass Index
(N*rmalgewicht)
gewichtsneutral
Ziel: Gesundheitsförderung
Erfolgsmarker:
Verhaltensoptimierung
Lebensstil
Lebensqualität
Schaden durch das gewichtszentrierte System
1. Physische Belastungen
Wiederholte Diäten und Gewichtsschwankungen stressen den Körper: Der Stoffwechsel verlangsamt sich, Fett wird schneller eingelagert und das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie Nährstoffmängel steigt. Langfristig scheitern die meisten Gewichtsreduktionsprogramme und schaden mehr, als sie nützen.
2. Psychische Auswirkungen
Der ständige Fokus auf Gewicht schwächt das Selbstwertgefühl, fördert Schuldgefühle und erhöht das Risiko für Depressionen, Angststörungen und Essstörungen. Gewichtsstigma verstärkt chronischen Stress, was ungesunde Essmuster und emotionale Belastungen weiter antreibt.
3. Vernachlässigung anderer Gesundheitsfaktoren
Ein rein gewichtsorientierter Ansatz ignoriert gesunde Lebensweisen bei höherem Body Mass Index und übersieht Risiken bei Normalgewichtigen. Zudem werden im Gesundheitssystem Beschwerden bei mehrgewichtigen Menschen oft vorschnell aufs Gewicht geschoben, wodurch andere Ursachen unerkannt bleiben.
Ganz konkret: das ist gewichtsneutral
Gesundheit ist mehr als Körpergewicht
Der gewichtsneutrale Ansatz richtet den Blick nicht auf Body Mass Index oder Gewicht, sondern auf konkrete gesundheitliche Parameter und erkennt Gewicht und Gesundheitszustand als Ergebnis eines komplexen Zusammenspiels von Genen, Umwelt und Verhalten (bio-psycho-sozial). Gesundheitsförderung ist in jeder Körpergröße möglich – Verbesserungen können unabhängig von Gewichtsveränderungen erreicht werden.

Respektvolle, diskriminierungssensible Versorgung
Der gewichtsneutrale Ansatz baut aktiv Gewichtsstigma ab, indem er Vorurteile hinterfragt, sensible Sprache nutzt und die Versorgung an alle Körpergrößen anpasst. Im Mittelpunkt stehen Gesundheit, ethische Prinzipien und Menschenrechte – Maßnahmen sollen helfen, ohne neuen Schaden oder Stigmatisierung zu verursachen.

Freude an Bewegung
Der gewichtsneutrale Ansatz versteht Bewegung nicht als Strafe oder Mittel zum Abnehmen, sondern als Freude und Bereicherung im Alltag – egal ob durch Tanzen, Spazierengehen oder Radfahren. Forschung zeigt, dass körperliche Aktivität aus Lust statt Zwang langfristig besser durchgehalten wird, das Wohlbefinden steigert und Gesundheit unabhängig vom Gewicht fördert

Fokus auf gesundheitsfördernde Verhaltensweisen
Der gewichtsneutrale Ansatz setzt auf nachhaltige Lebensstiländerungen wie Ernährung, Bewegung, Stressreduktion, Schlafqualität und Selbstfürsorge, um Risikofaktoren wie Bluthochdruck oder hohe Blutzuckerwerte direkt anzugehen – unabhängig davon, ob sich das Gewicht verändert. Studien zeigen, dass schon kleine Verhaltensänderungen Gesundheit verbessern können, ohne dass eine Gewichtsabnahme erreicht wird.

Intuitives Essen statt Diäten
Ein zentraler Bestandteil gewichtsneutraler Gesundheitsförderung ist Intuitives Essen – das Vertrauen auf Hunger- und Sättigungssignale statt Diätplänen oder Kalorienzählen. Studien zeigen, dass dieser Ansatz mit besserer psychischer Gesundheit, weniger Essanfällen und ausgewogeneren Ernährungsgewohnheiten verbunden ist, weil Genuss und Körpervertrauen wieder in den Mittelpunkt rücken.

Zusammengefasst
Der gewichtsneutrale Ansatz stellt gesundes Verhalten, Wohlbefinden und Selbstakzeptanz in den Mittelpunkt statt Gewichtsziele und berücksichtigt dabei körperliche, psychische und soziale Faktoren. Gewichtsabnahme ist nicht das primäre Ziel – vielmehr soll sich das Körpergewicht dort einpendeln, wo es individuell passt, auch wenn es nicht dem gesellschaftlichen Ideal entspricht.

Am 13.06.25 veranstaltete HOLi Social Health Hub den ersten gewichtsneutralen Fachkongress.
Isabel Bersenkowitsch hielt einen Vortrag zum Thema "Einführung in die gewichtsneutrale Gesundheitsförderung" - https://youtu.be/QYzekto_b9I